Aktive Überwachung

Einige unserer Männer entschieden sich nach ihrer Diagnose dafür, die Entwicklung des Tumors medizinisch überwachen zu lassen, aber noch nicht zu behandeln (sogenannte Aktive Überwachung/Active Surveillance).

Die Entscheidung, erst einmal zu kontrollieren und nicht zu behandeln, wurde von den meisten unserer Interviewpartner nach intensiven, eigenen Recherchen durchgeführt. Einige der Interviewpartner, wie Klaus Steiner oder Wolfgang Pohl, schildern ihre Erfahrungen und beschreiben, dass sie selbst aktiv werden mussten. Sie holten sich medizinische Informationen ein, um tatsächlich eine Wahlmöglichkeit zu haben, welche Behandlungsform sie für ihren Prostatakrebs durchführen wollten. Die zusammengetragenen Informationen führten dazu, dass die Männer den Eindruck hatten, dass es keine zwingende Notwendigkeit für eine sofortige Behandlung gab. Vor allem weil die vorgeschlagenen Behandlungsformen Risiken in sich bargen, die unsere Interviewpartner zum Zeitpunkt der Diagnose nicht eingehen wollten.

Für Klaus Steiner war die Therapieentscheidung ein Abwägen zwischen Nebenwirkungen und Lebensqualität.

Kay Hahns Wunsch nach Unversehrtheit und Sexualität, den er in sich spürte, war ihm wichtiger als eine Behandlung.

Die meisten unsere Gesprächspartner mussten sich selbst auf den Weg machen und ihre Ärzt*innen mit ihrem Vorschlag der Aktiven Überwachung konfrontieren, die diesen auch nicht immer unterstützten.

Klaus Steiners Ärzt*innen wiesen ihn nicht auf die Möglichkeit der Aktiven Überwachung hin.

Andere wurden jedoch von ihren Ärzt*innen darauf hingewiesen, dass diese Behandlungsmöglichkeit bei ihnen bestehen würde.

Ralf Sauers Arzt schlug ihm neben der Operation auch die Aktive Überwachung vor.

Alle, die sich für dieses Behandlungskonzept entschieden, geben an, dass eine gewisse Gelassenheit nötig war, um Aktive Überwachung zu wählen.

Ebenso war es allen wichtig, Ärzt*innen zu haben, die sie bei ihrer Entscheidung unterstützten und die Wahl mittrugen. Einige machten die Erfahrung, dass Ärzte ihren Wunsch als fahrlässig darstellten und sie zur Operation drängen wollten. Ebenso ärgerten sich manche darüber, wenn in Arztgesprächen oder auch in Informationsbroschüren Nebenwirkungen von Operationen oder von Bestrahlungsverfahren verharmlost wurden.

Kay Hahns Urologe unterstützte ihn bei seiner Entscheidung, sich nicht operieren zu lassen.

Unsere Interviewpartner stehen bei der Aktiven Überwachung unter regelmäßiger Kontrolle. Manche lassen den PSA-Wert oft, andere seltener kontrollieren, meist im Zeitraum zwischen drei und sechs Monaten. Es gab auch Erzähler, die seit Jahrzehnten zur Aktiven Überwachung gehen. Dabei werden viele Fragen bei ihnen aufgeworfen, die sich mit der Zeit aber ändern oder relativieren, wie etwa nach zukünftigen Behandlungen im Falle eines PSA-Wert-Anstiegs oder ob Krebs gleichzeitig Sterben bedeutet.

Bei Kay Hahn setzte Entspannung ein, als sein PSA-Wert bei den regelmäßigen Kontrollen sank.

Klaus Steiner legt großen Wert auf Messverfahren und ist skeptisch gegenüber einer Re-Biopsie.

Des Weiteren war für manche unserer Interviewpartner wichtig, andere kennenzulernen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind und vielleicht auch über Ängste und Sorgen berichten. Für andere aber bleibt der Gedanke, was sie machen würden, falls etwas passiert, worauf aber nicht alle eine Antwort haben. Dabei ist es unseren Erzählern wichtig zu betonen, dass es ihnen um das Hier und Jetzt gehe. Der Blick auf die Krankheit und auch das Alter kann manchmal Sorgen hervorrufen.

Wolfgang Pohl wünscht sich, dass der PSA-Wert wieder sinkt, macht sich aber mittlerweile keinen Kopf mehr.

Für Klaus Steiner ist es sein Risiko, welches von der Lebenserwartung und vom Alter abhängt.

Nicht bei allen konnte die Aktive Überwachung weitergeführt werden, auch wenn sie aufgrund der Werte dachten, der Krebs würde nicht mehr zum Ausbruch kommen.

Ralf Sauer machte die Aktive Überwachung, bis erneute Biopsien weitere Schritte erforderten.