Partnerschaft und Sexualleben

Unsere Gesprächspartner schildern, dass die Krankheit Prostatakrebs nicht nur sie betraf, sondern sowohl Auswirkungen auf ihr privates Umfeld, Freunde und Kinder, aber vor allem auf ihre Partnerin hatte und hat, sofern sie in einer Beziehung oder Ehe lebten und leben. Viele Erzähler schildern, dass sie ihre Entscheidungen, wie sie mit der Erkrankung umgehen und welche Behandlungen sie durchführen, mit ihrer Partnerin gemeinsam besprachen. Dabei wurden auch Wünsche der Partnerinnen berücksichtigt und sie wurden bei Aufklärungsgesprächen und Therapieentscheidungen mit einbezogen.

Viele Männer wollten auf der sicheren Seite stehen und ließen sich operieren bzw. für sie und ihre Partnerin ging das Leben und die Gesundheit vor und wurde wichtiger als die Potenz oder Kontinenz erachtet (Der Weg zur Operation). Ob sie als junger Mensch anders entschieden hätten, wissen unsere Interviewpartner nicht, allerdings sprechen viele davon, dass sie lange ein erfülltes Sexualleben hatten, was auch über den möglichen Verlust hinwegtröstete.

Kay Hahn tauschte sich viel mit seiner Partnerin über das Sexualleben aus und sie ging mit seiner Entscheidung mit.

Uwe Ziegler stand vor der Wahl zwischen Leben oder Liebe und hat sich mit seiner Frau für das Leben entschieden.

Norbert Kramers Frau war bei seiner Entscheidung für eine Operation dabei, weil es sie beide betraf.

Holger Andres sieht Prostatakrebs zu großen Teilen als ein partnerschaftliches Problem, auch wegen des Sexuallebens.

Alter und Sexualleben

Einige ältere Interviewpartner berichten, dass sie weniger vor Veränderungen ihres Sexuallebens Sorge hatten, denn sie betonen, dass ein Vorteil des Prostatakrebses ist, dass man ihn bekommt, wenn man ohnehin schon relativ alt ist. Für sie war es somit schon vor der Erkrankung nicht mehr ausschlaggebend oder es war mit fortschreitendem Alter schwieriger, eine Dauererektion zu bekommen. Einigen fiel es deshalb leichter, mit Blick auf ihr eigenes Alter, mögliche Auswirkungen auf das Sexualleben zu akzeptieren, oder sie gestanden es sich zu, dass das Sexualleben und die Intimität nachließen.

Alfred Brandts Libido ist durch die Anti-Hormontherapie weg, was er in seinem Alter nicht so dramatisch sieht.

Kinderwunsch

Unsere Interviewpartner erzählten auch davon, dass sie vor der Operation gefragt wurden, ob bei ihnen noch ein Kinderwunsch bestehe, denn durch die Entfernung der Prostata und damit der Samenbläschen, die das Sperma produzieren, wird man zeugungsunfähig. Fast alle unserer Gesprächspartner erzählten uns, dass für sie und ihre Partnerinnen die Kinderplanung abgeschlossen war, entweder, weil sie schon Kinder hatten oder weil sie es aufgrund ihres Alters für nicht mehr relevant befanden. Manche Männer hatten sich schon vor der Erkrankung einer Vasektomie unterzogen.

Kay Hahns Freundin und er wünschen sich ein Kind und er konnte sich trotz Prostatakrebs refertilisieren lassen. 

Nachdem Jörg Runde nach seiner Diagnose Samen hinterlegt hatte, haben seine Frau und er den Kinderwunsch aufgrund eines Rezidivs verworfen.

Sprechen über Sex

Durch Prostatakrebs wird die Intimsphäre des Mannes berührt und die Interviewpartner berichten, dass sich ihr Denken und Sprechen über (männliche) Sexualität und Männlichkeit im Zuge der Erkrankung veränderte. Einige haben mittlerweile keine Probleme mehr mit anderen über ihr Sexualleben zu sprechen, weil sie zum Beispiel in Selbsthilfegruppen einen offenen Umgang damit erfahren haben oder mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin darüber sprechen konnten. Andere wollen nicht ausführlich darüber mit anderen sprechen oder nur unter vier Augen, auch weil es für sie privat und teilweise schambehaftet sei. Manche sind auch zurückhaltender geworden, was die Partnersuche angeht, da die eigenen Probleme und falsche Vorstellungen anderer über Prostatakrebs an ihrem Selbstwertgefühl nagen. Einige merkten, wenn sie offener damit umgingen, dass das Thema nach wie vor tabuisiert ist. Einige konstatieren auch eher frustriert, dass im Alter unter Männern mit Prostatakrebs nicht von Liebe geredet wird, sondern eher von Vorlagen, so Uwe Ziegler.

Georg Sommer fand niemanden, mit dem er über sein Sexualleben sprechen konnte. Jetzt hat er sich damit abgefunden. 

Rüdiger Schnelte kann akzeptieren, wenn es mit der Sexualität nicht mehr so funktionieren sollte, wie vorher, aber ist vor allem für seine Frau noch auf der Suche nach Lösungen.

Sexualleben nach Therapien

Bei manchen Männern verging viel Zeit, teilweise mehrere Monate, bevor sie überhaupt herausfinden konnten und wollten, wie es um ihre Erektionsfähigkeit stand. Sie waren erst mal mit der Behandlung ihrer Krankheit beschäftigt und dachten gar nicht an ihr Sexualleben. Andere berichten uns, dass sie noch hoffen würden, dass „es bei ihnen wieder wird.“ Unsere Gesprächspartner erzählten uns davon, dass sie in der Folge der Operation einen „trockenen“ Orgasmus erleben. In den Erzählungen weniger unserer Interviewpartner blieb es die einzige Veränderung ihres Sexuallebens, die sie erlebten, auch wenn es bei manchen einige Zeit brauchte, bis es wieder wie vorher wurde.

Männer, die eine Hormontherapie durchführen ließen, sprachen davon, dass sie das Interesse am Geschlechtsverkehr verloren hatten und dass das sexuelle Verlangen ganz aufhörte. Als eine Folge der Operation oder der Bestrahlung schildern viele Interviewpartner Veränderungen der Erektionsfähigkeit, da die zwei Nervenstränge, die für die Versteifung des Gliedes zuständig sind, eventuell beschädigt wurden. Dabei wurde aber weder die sexuelle Lust noch das Gefühl im Penis betroffen, wie unsere Interviewpartner berichten. 

Dieter Bauer hat durch Therapien Veränderungen in seinem Sexualleben erlebt, jetzt ist sie sogar intensiver als zuvor. 

Martin Pels macht auf die Bedeutsamkeit von Aufklärung auch hinsichtlich sexuelle Aspekte aufmerksam.

Hilfsmittel

Einige unserer Gesprächspartner berichten aber auch von Hilfsmitteln, die sie ausprobierten, um mit den Veränderungen der Erektionsfähigkeit umzugehen. Einige wollen nachhelfen, andere ließen es ganz, weil die Nutzung von Pumpen oder Spritzen vor dem Geschlechtsakt für sie befremdlich war oder sie nicht an die Wirkung von Potenzpillen glaubten. Manche konnten Potenzpillen aufgrund ihrer möglichen Nebenwirkungen auf Herz und Kreislauf nicht nutzen. Andere versuchten Potenzpillen, die Penispumpe oder die SKAT Spritze und die meisten nahmen dann aufgrund nicht zufriedenstellender Ergebnisse Abstand davon. Einige schildern, dass sie die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel noch ausprobieren wollen, weil es ihnen wichtig ist und sie sich davon Abhilfe erhoffen. Zudem war das Einverständnis der Partnerin für die Verwendung von Hilfsmitteln wichtig und einige Frauen wollten nicht, dass ihr Mann Hilfsmittel benutzt.

Thomas Lange lernte vieles über Hilfsmittel in der Reha und merkte, dass sein Sexualleben gleich war wie vorher.

Andreas Wolke probierte die Vakuumpumpe und Potenzpillen aus und ist froh, dass er es nicht mehr braucht.

Joachim Pelzer fragte sich mit seiner Frau, ob sie sich ein Sexualleben mit Hilfsmitteln noch antun müssten.

Rolf Fuchs hat als sexuell aktiver Mann gelernt, mit Impotenz umzugehen und findet, dass es Wichtigeres gibt.

Sexualleben ohne Erektion

Viele Interviewpartner sprechen davon, dass ihre Potenz stark eingeschränkt und der Geschlechtsakt „technisch“ nicht mehr möglich sei. Für manche ist der Zustand nicht ganz zufriedenstellend, dennoch war es ihnen möglich, einen Orgasmus zu bekommen. Für andere war nach den Behandlungen gefühlsmäßig "nichts mehr vorhanden" und ihnen war klar, dass das „herkömmliche“ Sexualleben auch nie wieder kommen würde. Denn viele Männer erkannten mit der Zeit, dass männliche Sexualität nicht nur den Geschlechtsakt betrifft, sondern sie suchten nach neuen Möglichkeiten, Sexualität und Intimität mit ihrer Partnerin zu erleben. Die Männer wurden von ihren Frauen bestärkt und merkten, dass sie sich mehr Sorgen um ihre Potenz als ihre Partnerinnen machten und diese damit gut umgehen konnten. Alfred Brandt hatte schon vor seiner Erkrankung mit seiner Partnerin eine Sexualtherapie gemacht, wodurch sie nach der Diagnose einfacher damit umgehen konnten. Für manche ging ein Stück Lebensqualität verloren, dadurch, dass sie keine Erektion mehr bekommen können. Es war für sie vorher ein wichtiges männliches Erleben, worauf sie nicht gänzlich verzichten möchten. Für einige sei es aber kein allzu großes Unglück, weil es mit dem Älterwerden zusammenfalle. Einige haben andere Wege gefunden und führen trotz Prostatakrebs eine zufriedene Partnerschaft mit einem veränderten Sexualleben, woran sie sich gewöhnt haben. Viele nutzen die Veränderungen, um über ihr Sexualleben nachzudenken und sind sogar glücklicher als zuvor. Die Gesprächspartner schildern, dass körperliche Nähe zu ihren Partnerinnen ihnen auch weiterhin wichtig ist, die Zärtlichkeit sogar zugenommen hat.

Peter Engel findet, dass man sich abgewöhnen muss, dass männliche Sexualität nur auf den Penis und die Erektion bezogen ist.

Für Norbert Kramers Frau und ihn ein Sexualleben auch ohne Hilfsmittel möglich, womit sie glücklich sind.

Joachim Pelzer hat erst durch Prostatakrebs entdeckt, dass es andere schöne Dinge im Sexualleben gibt.

Alfred Brandt versucht mit seiner Partnerin alternative Formen der Intimität, was wunderbar und entspannend war. 

Für Reinhard Stockmann ist die emotionale Nähe und die Stabilität in seiner Ehe im Fokus.