Finanzen, Krankenkasse und Schwerbehindertenausweis

Viele unserer Gesprächspartner erlebten mit dem Prostatakrebs finanzielle Veränderungen. Auch, wenn in den meisten Fällen Operations- und Behandlungskosten durch die jeweilige Krankenkasse übernommen wurden, sah sich eine Reihe der Befragten mit finanziellen Belastungen konfrontiert. So wurden beispielsweise nicht immer teure Medikamente bezahlt oder die verschriebenen Inkontinenz-Vorlagen reichten nicht aus und mussten selbst bezahlt werden.

Die meisten der Interviewten machten jedoch gute Erfahrungen mit ihrer Krankenkasse: Sämtliche Operations- und Therapiekosten wurden anstandslos übernommen. Manchmal waren auch individuelle Vereinbarungen möglich; das machte die Erzähler sehr dankbar.

Alfred Brandt traf mit seiner Krankenkasse eine individuelle Vereinbarung zur Kostenübernahme der Hormonspritze.

Doch nicht immer machten unsere Gesprächspartner positive Erfahrungen mit ihrer jeweiligen Krankenkasse. Georg Sommer ärgert sich, dass er für ein Medikament, welches ihm im Krankenhaus aufgrund eines Harnleiterkatheters gestellt wurde, nach der Entlassung selbst aufkommen musste.

Detlev Winter kann nicht mit seiner Erkrankung abschließen, da er immer noch Unterlagen nachreichen muss.

Einige unserer Erzähler hatten anfängliche Probleme mit der Kostenübernahme, die sie allerdings durch individuelle Verhandlungen mit ihrer Kasse auflösen konnten: so war es zum Beispiel für Guenther Neumann möglich, die Fahrten zur Bestrahlung von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen. Dies erforderte allerdings Beharrlichkeit, um an die Bewilligung zu gelangen. Gelegentlich waren es auch bestimmte Behandlungsmethoden, für die die Krankenkasse zunächst finanziell nicht aufkommen wollte:

Nach Verhandlung mit seiner Kasse bekam Dieter Bauer die Kosten für die Brachytherapie teilweise rückerstattet.

Manfred Franke hat keine Hemmungen, sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen, wenn es Probleme gibt.

Auch einige unserer privatversicherten Gesprächspartner berichten von finanziellen Hürden oder allgemeinen Problemen im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung. So verzichtete Peter Engel lange Zeit auf eine Zusatzversicherung, weil er niemals damit gerechnet habe, ernsthaft krank zu werden, wodurch er schließlich die Hälfte der Operationskosten selbst tragen musste. Michael Albrecht bemängelt, dass ihm als Privatpatient viele unnötige Untersuchungen empfohlen worden seien, was er als klaren Nachteil einer privaten Krankenversicherung einstufe. Dadurch fühle er sich als „Geldbeschaffungsmaschine“.

Ein weiterer Aspekt, der finanzielle Belastungen mit sich bringen kann, sind Medikamentenempfehlungen der behandelnden Ärzte. Manche der Erzähler mussten für diese oder auch für mehrfache Zweit- oder Drittmeinungen oder Untersuchungen selbst aufkommen.

Jedoch sind nicht alle Probleme und Themen, die unsere Gesprächspartner in Zusammenhang mit ihrer Krankenkasse anführen, rein finanzieller Natur. So wurde beispielsweise der Wunsch geäußert, durch die Krankenasse eine individuellere Betreuung als Krebspatient zu erhalten. Andere nutzten die Option, sich bei der Krankenkasse aktiv über mögliche Behandlungsmethoden informieren zu können.

Detlev Winter wünscht sich von seiner Krankenkasse eine adäquatere Betreuung.

Ralf Sauer rief bei seiner Krankenkasse an, um sich über Behandlungswege zu informieren.

Eine wichtige Rolle, um finanzielle Fragen zu klären, spielte für einige unserer Männer der Sozialdienst, der in Kliniken und Reha-Einrichtungen angeboten wird. Für unsere Gesprächspartner war dieser häufig die erste Anlaufstelle, um nützliche Informationen zu erhalten. Viele berichten, dass sie noch während des Krankenhausaufenthalts von Sozialarbeiter*innen angesprochen und über die Möglichkeit eines Reha-Aufenthalts, der Erwerbsminderungsrente und der Option eines Schwerbehindertenausweises aufgeklärt wurden.

Rolf Fuchs erfuhr durch eine Sozialarbeiterin, dass er wider Erwarten doch Anspruch auf Krankengeld hat.

Einige der Interviewten heben hervor, dass sie durch die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers eine finanzielle Absicherung erfuhren.

Thomas Lange musste während seiner Operation und Anschlussheilbehandlung keine Lohneinbußen hinnehmen.

Die meisten unserer Gesprächspartner kamen im Laufe ihrer Krankheitserfahrung mit dem Thema „Schwerbehindertenausweis“ in Berührung: Viele wurden von Sozialarbeiter*nnen in Kliniken über ihre Ansprüche aufgeklärt, andere erfuhren in der Selbsthilfegruppe, von ihren Ärzt*innen, von Freund*innen oder auch durch den Betriebsrat davon.

Als die wichtigsten Vorzüge eines Schwerbehindertenausweises nennen viele unserer Gesprächspartner den vorgezogenen Renteneintritt, eine Woche Zusatzurlaub, und steuerliche Vorteile. Auch die Möglichkeit, einen deutschlandweiten Generalschlüssel für sämtliche behindertengerechte Toiletten zu erhalten, wird von vielen als sehr hilfreich empfunden. Während Peter Engel, der gerne ins Theater und auf Konzerte geht, den „kräftigen Erlass“ beim Eintrittspreis schätzt, zweifeln einige der Interviewten den konkreten persönlichen Nutzen eines Schwerbehindertenausweises an. Thomas Lange zum Beispiel kann die Vorteile des Ausweises nicht voll ausschöpfen, da er sich ein Haus gekauft hatte, an dem er zur Zeit der Erkrankung noch Schulden abzahlt. So muss er auch nach der Erkrankung weiter arbeiten gehen, was ihn sehr beschäftigt.

Walther Girtler bewertet den „Behindertenschlüssel“ als sehr hilfreich für Männer mit Inkontinenz.

Die Antragstellung des Schwerbehindertenausweises beim jeweils zuständigen Versorgungsamt gestaltete sich bei den meisten unserer Männer ohne Komplikationen. Die Reaktionen und die eigene Wahrnehmung, die mit dem Erhalt eines Schwerbehindertenausweises einhergehen, waren demgegenüber diverser. So war Christian Lorenz über seine 100%ige Schwerbehinderung „geplättet“ und „geschockt“ und setzte sich mit der Frage auseinander, ob er wohl den Ablauf seines Ausweises im Jahr 2025 noch erleben werde. Viele nehmen sich trotz ihrer Anerkennung als Schwerbehinderte nicht als solche wahr. Allerdings sprachen wir auch mit Männern, deren Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes nicht mit der Herabsetzung des Behinderungsgrades übereinstimmt. Auch, wenn viele unserer Männer die positiven Aspekte eines Schwerbehindertenausweises ansprechen, so haben einige Hemmungen, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Frank Moll kann die Herabsetzung seines Schwerbehindertengrades nicht nachvollziehen.

Joachim Pelzer hat trotz 100%iger Schwerbehinderung Spaß im Leben. Dies sei für viele Außenstehende ein Widerspruch.

Ungeachtet der Vorzüge, die ein Schwerbehindertenausweis mit sich bringen kann, sprachen wir auch mit einer Reihe von Männern, die eine Antragstellung nicht in Betracht zogen, weil sie sich gut fühlten oder finanziell abgesichert waren.

Helmut Wurm möchte keine unnötigen Leistungen in Anspruch nehmen.