Erfahrungen mit Mitpatienten

Fast alle unsere Erzähler berichteten, dass die Begegnungen mit Mitpatienten in der Reha für sie eine wichtige Rolle gespielt hätten, meist als positive Unterstützung und Erfahrung, manchmal auch als zusätzliche Belastung. Einige beschreiben die Gruppe der Patienten als eine Art „Mikrokosmos“, eine eigene Welt in einer Ausnahmesituation, in der man sich verstand, unterstützte und sogar zur engen Clique zusammenwuchs. Die Kontakte kamen überwiegend durch den gemeinsamen Tisch im Speisesaal oder die Teilnahme an den Sport- und Übungsgruppen zustande. Aber auch gemeinsame Ausflüge am Wochenende und die Gestaltung der Abende mit Spielen, Handarbeiten oder Spaziergängen waren wichtig, weil sie einen Austausch ermöglichten. Besonders die Raucher kamen über die zugewiesenen Plätze schnell in Kontakt. Maria Hoffmann bedauerte es sehr, als eine Klinik keine geeigneten Möglichkeiten des Zusammensitzens bot.

Maria Hoffmann fand es wichtig, Raum und Gelegenheit für Kontakte zu haben.

Als positiv benennen viele Interviewpartner, dass sie von Mitpatienten wesentliche zusätzliche Informationen zu praktischen Abläufen in der Klinik, Tipps für Behördenangelegenheiten, zusätzliche Erfahrungen oder alternative Behandlungsideen vermittelt bekamen. Die Gruppe der Mitpatienten konnte Geborgenheit und Unterstützung bieten, wenn es ihnen schlecht ging, und vor Einsamkeit und Heimweh schützen. Wichtig war, dass es in der Klinik Patienten mit der gleichen Erkrankung oder aus der gleichen Altersgruppe gab, um sich wohlzufühlen.

Birgit Voigt fand die Gespräche mit Mitpatienten oft hilfreicher als die mit dem Arzt.

Julia Bach erzählt, dass die Gruppe fast das Wichtigste am Klinikaufenthalt war.

Oliver Schmittke fand die Gruppentherapie hilfreich, in der jeder seine Sorgen schildern konnte.

Claudia Gross fand in den kleinen Begegnungen mit Mitpatienten Aufmunterung.

Für manche war der Umgang einzelner Mitpatienten mit ihrer Krankheit bewundernswert und diente als Ermutigung oder Vorbild.

Sehr häufig verglichen sich die Erzähler mit den anderen und stellten fest, dass diese weit mehr belastet und von der Krankheit stärker betroffen waren als sie selbst, so dass sie ihr eigenes Leiden als weniger schwer empfanden und relativieren konnten.

Brigitte Lenz konnte ihre eigene Krankheit besser einordnen, als sie sah, wie schlimm andere dran waren.

Auch die Leistungen der Mitpatienten in den Übungsgruppen konnten einem interessanten Vergleich dienen, Anlass zu Stolz oder Ansporn sein. Für viele war es beruhigend zu erleben, dass andere ähnliche Probleme oder Erfahrungen hatten und sie sich dadurch „normal“ fühlen konnten.

Für Andreas Gmähle wäre die Reha ohne die Unterstützung der Mitpatienten nicht zu schaffen gewesen.

Andere Erzähler fühlten sich durch die schweren Behinderungen der anderen zusätzlich belastet oder von den sichtbaren Krankheitszeichen abgestoßen. Oft wollten sie von den schweren Krankheiten der anderen gar nichts hören.

Wolfgang Krimmel fand es sehr negativ für seinen Heilungsprozess, nur Schwerstkranke um sich zu haben.

Heike Tschirner weist darauf hin, dass man in der onkologischen Reha mit vielen schlimmen Geschichten konfrontiert wird.

Einige fanden es hilfreich zu lernen, wie sie die Intensität und Nähe der Kontakte steuern konnten, und sich bei Bedarf auch abzugrenzen. Tobias Brenk steckte sich z.B. Kopfhörer des CD-Players in die Ohren, um nicht angesprochen zu werden.

Mara Schnaiter schildert es als Zugewinn an Freiheit, sich ihre Rückzugsräume zu bewahren.

Britta Eyfried lernte zu unterscheiden, welche Kontakte hilfreich waren und welche nicht.

Häufig gab das Verhalten der Mitpatienten auch Anlass zu Ärger oder Distanzierung, wenn diese z.B. als unkooperativ, undankbar und faul erlebt wurden oder nur ihr Vergnügen im Kopf zu haben schienen. Wolfgang Krimmel empfand es als sehr störend, dass die Mitpatienten keinen Wert mehr auf anständige Kleidung legten und nur im Bademantel oder Trainingsanzug herumliefen.

Einige berichteten, dass sie die Unzufriedenheit und Nörgelei der anderen sowie das ständige Meckern über das Essen oder Mängel der Klinik störend und unangemessen fanden. Andere beschrieben das Verhalten der Cliquen wie das von „Schülern im Landschulheim“ und gingen ihnen eher aus dem Weg.

Peter Book empfindet Dankbarkeit für die Möglichkeiten der Reha und ärgert sich über das viele Meckern.

Viele erzählen, dass der Abschied von den neuen Freunden und der Kameradschaft der Mitpatienten untereinander am Ende der Reha schwer fiel und mit Trauer verbunden war. So versuchten einige, auch danach noch Kontakt zu halten und sich regelmäßig auszutauschen, was manchen auch über längere Zeiträume mit einzelnen Bekannten gelang (siehe Nach Hause kommen).